Dossier #5: Tourismus

Auf Safari

Was ein Tierpräparat über die Geschichte der Jagdreisen in Afrika erzählt

Von Sara Schindler

22. März 2025

Die Beliebtheit des Jagdtourismus in Afrika hat ihren Ursprung in der Kolonialzeit. Davon zeugen unzählige tote Tiere, die sich – gesammelt, präpariert und ausgestellt – heute auf der ganzen Welt finden lassen.

Im Naturhistorischen Museum in Bern steht ein Elefant auf einem schwarzen Sockel. Genauer: die Dermoplastik eines Afrikanischen Elefanten. Er ist ein naturkundliches Exponat der Sammlung «Tiere Afrikas». Eine Tafel informiert über den natürlichen Lebensraum und die Biologie der Elefantenart. Der Elefant ist aber auch sterbliche Überreste. Der Begriff Dermoplastik bedeutet «in Form gebrachte Haut»: Die Haut eines toten Elefanten wurde konserviert und über die Nachbildung eines Afrikanischen Elefantenkörpers gezogen. Bei genauerem Hinsehen lassen sich die tiefen Furchen und feinen Härchen der Elefantenhaut noch erkennen. Auch hier gibt die Tafel Auskunft: Die Haut stammt aus Kenia und ist über hundert Jahre alt.

Haltbargemacht für alle Ewigkeit erzählen diese Überreste eine Geschichte und lassen sich befragen: Wie und weshalb sind sie zusammen mit zahlreichen anderen Überresten von afrikanischen Tieren nach Bern gelangt? 

Fotocollage aus zwei Fotos: Einmal ein ausgestopfter Elefant in gross, einmal eine Nahaufnahme des Rüssels

Der Afrikanische Elefant im Naturhistorischen Museum Bern (Fotos von Sara Schindler, 2024)

Die Spuren des Elefanten lassen sich bis nach Meru Forest in Kenia zurückverfolgen, wo er am 15. September 1923 von Bernard von Wattenwyl erschossen wurde. Der Berner Patrizier lebte damals als Kunstmaler und Jäger zusammen mit seiner Tochter Vivienne von Wattenwyl, deren Mutter früh verstorben war, in England. In den Jahren 192324 reisten sie gemeinsam durch die britischen Kolonialgebiete Ostafrikas, um dort Grosswild zu jagen. Dabei unterstützte Vivienne ihren Vater nicht nur beim Jagen und dem anschliessenden Häuten und Zerlegen der Tiere, sondern hielt die Reise auch als Chronistin fest. 

Die von Wattenwyls bewegten sich in Kreisen, in denen die Grosswildjagd ein gängiges Hobby war. Denn Ende des 19. Jahrhunderts kamen Jagdsafaris in den Kolonialgebieten unter wohlhabenden Europäer*innen in Mode. Die Gebiete Britisch-Ostafrikas – vor allem das heutige Kenia und Uganda – zählten damals zu den begehrtesten Jagd-Hotspots.

Faszination «wildes Afrika»

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde das Jagen in Afrika zum Inbegriff europäischer Überlegenheit und des Abenteuers. Zu diesem Zeitpunkt galt die Jagd in Europa bereits seit Jahrhunderten als eine edle Freizeitaktivität der Adligen und als Symbol von Herrschaft. Das Jagen in den Kolonien kann über die Symbolkraft hinaus als eine konkrete Ausübung von Macht verstanden werden: Mit der Jagd wurden die Natur, die Tiere und die einheimische Bevölkerung kontrolliert und die eigene Überlegenheit demonstriert. 

Im «Wettlauf um Afrika» wurde in Europa die Vorstellung genährt, Afrika sei ein menschenleerer, wilder Kontinent mit ungezähmter Tierwelt und das Gegenstück zum vermeintlich modernen und zivilisierten Europa. Immer mehr Menschen – vornehmlich junge Männer aus der Oberschicht – stellten sich dementsprechend unter Jagdsafaris in Afrika eine romantisierte Zivilisationsflucht vor. Elitäre Etikette tauschten sie gegen das «einfache Leben» und die «grosse Freiheit». Entbehrungen und die tatsächliche Gefahr bei der Grosswildjagd galten als unter Beweis-Stellen einer starken Männlichkeit. Dieses verzerrte Bild von Afrika und des wilden Jagderlebnisses wurde aktiv beworben. Es war also nicht nur das eindrucksvolle Wild, sondern auch ein ersehntes Lebensgefühl, das Kolonialgebiete in Afrika zu beliebten Jagdreisedestinationen machten. Davon zeugt auch die Jagdsafari der von Wattenwyls: Ausgerüstete mit einem Jagdgeleit von rund 30 Personen, Packtieren und einem Hund bestritten sie die Reise zu Fuss. Dies obwohl in den 1920er Jahren motorisierte Safaris gang und gäbe waren. Nur die Häute, Felle und Hörner der erlegten Tiere liessen sie von Transportfahrzeugen abholen.

Jagdsafari-Boom dank einer bedrohten Tierwelt

Als Jagdsafaris besonders populär wurden, hatten die ansässigen Kolonialgesellschaften den Tierbestand in bestimmten Gebieten durch exzessives Jagen bereits drastisch dezimiert und einzelne Arten ausgerottet. Dies verdeutlicht nochmals eindrücklich das Missverhältnis zwischen auf Afrikas Natur projizierte Sehnsüchte und der Realität. Darüber hinaus lässt sich der Safari-Boom ironischerweise mit der starken Regulierung der Jagd erklären. Denn um den gefährdeten Wildbestand zu schützen, wurden Massnahmen ergriffen, die den Jagdtourismus erst so richtig ankurbelten. 

So wurden ab 1900 etwa Wildreservate eingeführt, die Preise für Jagdlizenzen angepasst und die Jagdpraxis geregelt. Dies brachte den Kolonialregierungen ökonomischen Nutzen und tangierte weisse Jäger*innen vor Ort und wohlhabende Jagdtourist*innen praktisch nicht. Stattdessen erwuchs daraus eine florierende Jagdsafariindustrie und Beteiligte konnten sich als Vorreiter*innen des Arten- und Naturschutzes brüsten. Die kolonisierte Bevölkerung hingegen profitierte von diesem Geschäft nur sehr begrenzt. Vielmehr diskriminierten die Restriktionen sie und ihre Jagdtaktiken, vertrieben sie von ihrem Land und verunmöglichten für viele das Jagen als Lebensunterhalt. 

Solche kolonialen Strukturen sind bis heute im Business mit der Grosswildjagd verankert. Auch hält sich nach wie vor unter reichen Grosswildjäger*innen der Trugschluss, in Afrika die Leidenschaft mit etwas Nützlichem zu verbinden, indem sie einen angeblich nachhaltigen Beitrag zum Arten- und Naturschutz und zur lokalen Wirtschaft leisten würden.

Jagdtrophäen, Ehrgeiz und die Rolle der Wissenschaft

Schon bevor sich Grosswildjäger*innen als Arten- und Naturschützer*innen verstanden, verschrieben sich Jagdreisende nebst der Jagd oft auch der Naturkunde. Davon zeugt, dass sie häufig Karten anfertigten und Reiseberichte schrieben. Auch die anatomische Untersuchung des erlegten Tieres hat eine lange Tradition. Die Vermischung der Jagdlust mit den Ambitionen einer Forschungsreise gab der Jagd in Afrika so bereits früh eine wissenschaftliche Legitimation. Als sich später die Ausrottung verschiedener Tierarten abzuzeichnen begann, wurde die Trophäenjagd als paradoxe Möglichkeit betrachtet, die Tiere für die Nachwelt zu «bewahren».

Auch von Wattenwyls reisten und jagten mit dem Selbstverständnis, einen Beitrag für die Allgemeinheit zu leisten. Denn als die beiden sich ihren Weg durch das heutige Kenia und Uganda bahnten, profitierten sie nicht nur vom etablierten Safaritourismus und einer kolonialen Verwaltung, sondern auch von einem Deal mit dem Naturhistorischen Museum Bern. In ihrem Gepäck befand sich eine Liste mit Tieren, die sie für die Sammlung des Museums erlegen sollten. Im Gegenzug kam das Museum für die Transportkosten der Jagdtrophäen auf. 

Die Wünsche des Museums verdeutlichen, was bei der Trophäenjagd ganz im Allgemeinen wichtig war: Nicht jedes Tier war «würdig», abgeschossen, präpariert und ausgestellt zu werden. Es herrschte eine klare Rangordnung der Tiere und ihrer Masse. Strebsame Jäger*innen wie Bernard und Vivienne hatten deshalb nebst einer Waffe auch immer ein Massband zur Hand. Der imposante Elefant belegte dabei den Spitzenplatz. Nicht zuletzt, weil er sehr schwierig zu jagen war. Für von Wattenwyls war der Elefant, wie es Vivienne schilderte, «das Hauptziel unseres Ehrgeizes». Nachdem Bernard den Elefanten nach wochenlanger Jagd endlich erlegte, herrschte jedoch nicht nur Erleichterung. Wegen des Umfangs der Stosszähne stellte sich auch Ernüchterung ein:

«B. besah ihn mit kritischen Augen und schätzte seine Zähne auf kaum 30 Pfund. Immerhin war es ein ausgewachsener Elefant, und wenn wir nur seine Haut retteten, so war dies alles, was wir uns wünschen konnten.»
Wattenwyl, Vivienne von: In blaue Fernen, S. 96

Solche Abmachungen zwischen Museen und Jäger*innen waren keine Seltenheit und in der Regel handelte es sich um Win-win-Situationen. In diesem Fall bezahlte Bernard jedoch mit seinem Leben. Kurz vor Abschluss der Jagdreise wurde er von einem Löwen tödlich verletzt. Vivienne führte daraufhin die Safari ohne ihren Vater zu Ende und erlegte im Dezember 1924 das letzte Tier für die Sammlung: ein nördliches Breitmaulnashorn, das heute in freier Wildbahn ausgestorben ist.

Zurück ins Museum

Für das Naturhistorische Museum Bern bedeutete das Abkommen nichtsdestotrotz eine grosse Errungenschaft. Dank dieser Jagdsafari gelangten die Überreste von 53 Säugetierarten nach Bern. Darunter auch die Haut des Afrikanischen Elefanten, aus der 1935 eine Dermoplastik hergestellt wurde. Dort, wo er heute noch steht, war früher der sogenannten Grosssäuger- und Trophäensaal. Hinter dem Elefanten hingen damals die Häupter unterschiedlicher Wildtiere im typischen Jagdtrophäen-Stil an den Wänden.

Zwei Personen stehen in einem Saal und schauen sich ausgestopfte Tiere an. Zu sehen sind unter anderem eine Giraffe und ein Elefant. Schwarzweiss Aufnahme.

Alter Grosssäuger- und Trophäensaal (Foto von Eugen Thierstein, 1943, NMBE-Archiv)

Wird die Form des Ausstellens und die Herkunftsgeschichte miteinbezogen, können viele Tierpräparate in Museen nicht mehr nur als naturwissenschaftliche Ausstellungsobjekte verstanden werden. Vielmehr wird deutlich, dass die Tiere auch Trophäen und damit eine Zurschaustellung von Macht und Dominanz sind.

Der Afrikanische Elefant ist eines von unzähligen Tierpräparaten aus Afrika, die ihren Weg nach Europa, ins private Wohnzimmer oder in öffentliche Einrichtungen gefunden haben. Sie erzählen die Geschichte der Jagdsafaris und wie das Zusammenspiel von Tourismus und Jagd ein wichtiger Mechanismus der kolonialen Autorität und Ausbeutung war. Und schliesslich erzählen die sterblichen Überreste auch eine Geschichte der Weitergabe von Wissen und Kultur. Denn Jagdtrophäen waren nicht nur für die Wirtschaft und Herrschaftsausübung in den Kolonien wichtig, sie prägten auch die Wissenschaft und die Gesellschaft in Europa. Als Forschungsobjekte, aber auch als Innendekor, Kleidung, Mode-Accessoires oder Alltagsgegenstände.

Quellen

Dermoplastik «Afrikanischer Elefant», 1935.

Literatur

Bundi, Hanspeter: Afrika in Bern. Wie die Safari zweier Bernburger das Naturhistorische Museum verwandelte, Bern 1998.

Gissibl, Bernard: Das kolonisierte Tier. Zur Ökologie der Kontaktzonen des deutschen Kolonialismus, in: WerkstattGeschichte, 56(2010), S. 7 – 28.

Krüger, Gesine: History of hunting, in: Roscher, Mieke; Krebber, André; Mizelle, Brett (Hg.): Handbook of historical animal studies, Berlin 2021, S. 555 – 570.

Naturhistorisches Museum Bern: Von den Anfängen bis heute. Alles begann mit der «Vögelibibliothek», <;, Stand: 20.12.2024.

Thompsell, Angela: Hunting Africa. British Sport, African Knowledge and the Nature of Empire, New York/​Basingstoke 2015.

Wattenwyl, Vivienne von: In blaue Fernen. Afrikanische Jagdabenteuer, Bern 2012 [Original: Out in the Blue, London 1927].

Weiterführende Links und Literatur:

Zur Ausstellung «Tiere Afrikas» im Naturhistorischen Museum Bern.

Zum Forschungsprojekt «Tiere als Objekte» über ausgestellte Tiere in Zoos und in Naturhistorischen Museen.

Zu den kolonialen Verstrickungen der Schweiz: Purtschert, Patricia; Lüthi, Barbara; Falk, Francesca (Hg.): Postkoloniale Schweiz. Formen und Folgen eines Kolonialismus ohne Kolonien, Bielefeld 22013.

Zu Sara Schindler

Sara Schindler schloss ihr Studium der Zeitgeschichte und Germanistik an der Universität Fribourg ab. Sie interessiert sich für Global- und Kulturgeschichte, besonders für Fragen zu Repräsentation, gesellschaftlicher Teilhabe und zu Wissens- und Kulturtransfer.